17.03.09

Leseleistung ungleich Deutschnote

Leseleistung ungleich Deutschnote

In Klassen mit vielen leistungsstarken Schülern wird insgesamt strenger, mit vielen schwachen Schülern milder benotet, heißt es in der Studie.
In Österreich sagen Schulnoten wenig über die tatsächlichen Leistungen aus. Das hat die Montagabend in Wien präsentierte Detailauswertung der Lesestudie PIRLS 2006 (Progress in International Reading Literacy Study) unter Schülern der vierten Klasse Volksschule erneut bestätigt.

Auffälligstes Ergebnis der Analyse durch das Bundesinstitut für Bildungsforschung (BIFIE): Die schwächsten Schüler mit einem Sehr gut als Deutschnote in der Schulnachricht haben bei PIRLS dieselbe Testleistung erbracht wie die besten Schüler mit Nicht genügend.

Dass Österreich bei dem Test international wenig rühmlich abschneidet, war bereits bei der Veröffentlichung der Ergebnisse Ende 2007 bekanntgeworden.

Risikoschüler werden nicht erkannt
Vier Prozent der Schüler, die laut PIRLS zur Gruppe der Risikoschüler gehören und selbst mit einfachsten Leseaufgaben Probleme haben, wurden dennoch von ihren Lehrern im Fach Deutsch mit Sehr gut benotet, weitere 24 Prozent mit Gut.

Die Studienautoren ziehen daraus den Schluss, dass ein Teil der Risikoschüler von den Lehrern nicht als solche erkannt und dementsprechend auch nicht speziell gefördert werden. Gleichzeitig haben fünf Prozent der Schüler, die bei PIRLS in der Spitzengruppe gelandet sind, im Semesterzeugnis ein Befriedigend als Deutschnote stehen.

Schmied sieht sich bestätigt
Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) sieht sich durch die Lesestudie in ihrer Überzeugung bestätigt, dass die Bildungsreform konsequent weitergeführt werden müsse. Das sei bei den gegebenen Budgets aber nur möglich, wenn die von ihr geplante Ausweitung der Unterrichtszeiten durchgeführt werde, betonte sie Montagabend in einer Aussendung.

Flexibles Kriterium AHS-Reife
Noten sollten laut Gesetz darüber Auskunft geben, ob ein Schüler ein bestimmtes Leistungsniveau erreicht hat. Tatsächlich werden allerdings Schüler, die bei PIRLS eine ähnliche Leistung erbracht haben, in der Schule sehr unterschiedlich benotet.

Mehr als 70 Prozent der Schüler, die mit Befriedigend beurteilt wurden und daher nicht AHS-reif sind, haben bei PIRLS gleich gut abgeschnitten wie Schüler mit einem Gut im Zeugnis, also mit AHS-Reife; 50 Prozent der Schüler mit einem Dreier haben sogar Testwerte, die auch bei Einser-Schülern zu finden sind.

"Auch wenn in die Deutschnote noch andere Kriterien als die Leseleistung (z. B. Grammatik, Rechtschreibung, Schreiben, Anm.) eingehen müssen, sprechen diese erheblichen Überlappungsbereiche gegen eine kriteriumsorientierte Beurteilung", kritisieren die Studienautoren.

Notenorientierung am Klassenniveau
Lehrer würden sich bei der Notengebung "vornehmlich" am Niveau der Klasse und nicht am erreichten Leistungsniveau orientieren, heißt es in dem Bericht. Die Folge: In Klassen mit vielen leistungsstarken Schülern wird insgesamt strenger, mit vielen leistungsschwachen Schülern milder benotet.

In "schwachen" Klassen haben Spitzenschüler eine um zehn Prozent höhere Chance, ein Sehr gut zu bekommen; gleichzeitig gibt es in "starken" Klassen mehr Spitzenschüler mit der Note Befriedigend. Laut Studie besteht "sogar zwischen den Leseleistungen von Kindern mit Sehr gut (schwache Klasse) ein breiter Überlappungsbereich mit der Leseleistung von Kindern mit Genügend (beste Klassen)".

Lehrer überschätzen Leseniveau
Das Leseniveau ihrer Klassen schätzen die Lehrer vergleichsweise positiv ein und neigen dazu, es zu überschätzen: Ihrer Einschätzung nach besucht nur ein Prozent der Schüler eine Klasse, in der die Leseleistung unterdurchschnittlich ist, in den EU-Ländern mit Spitzenplätzen bei PIRLS sind es laut Angaben der Pädagogen zehn Prozent.

Dabei ist die Benotung im Fach Deutsch/Lesen vergleichsweise streng, was die Studienautoren auf den hohen Stellenwert zurückführen, der dem Fach beigemessen wird. Im Vergleich zu Mathematik werden in Deutsch/Lesen um elf Prozentpunkte weniger Sehr gut vergeben, im Vergleich zum Sachunterricht sogar nur halb so viele.

Auch schlechte Noten in der Volksschule
Die Studie räumt übrigens mit einem altgedienten Klischee auf, wonach viele Volksschulpädagogen nur die Noten Sehr gut und Gut vergeben. Das tun lediglich 1,5 Prozent der Lehrer, zwei Drittel der Lehrer verteilen Noten von Sehr gut bis Genügend bzw. von Gut bis Nicht genügend.

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